ad Darśana
Die sechs orthodoxen Philosophiesysteme der Hindus

Vaiśeṣika

Auf der Logik des Nyāya basierend liefert das Vaiśeṣika-System eine Kategorienlehre, die sich, ganz ähnlich dem aristotelischen System, als Ordnungssystem versteht. Ein Ordnungssystem, das versucht Welt zu beschreiben. Jedoch nicht im Sinne einer Kosmogenese. Die padārthas (Kategorien) des Vaiśeṣika sind nicht nur Bezeichnungen, die den Zweck einer logischen Ordnung verfolgen, sondern diese padārthas haben eine metaphysisch-reale Bedeutung. Der Stifter der Vaiśeṣika-Schule, Kaṇāda, wäre somit im Sinne des Mittelalters ein Realist. Die Zeitspanne des Vaiśeṣika umfasst die ersten vorchristlichen Jahrhunderte bis etwas 700 n. Chr.
Als Begründer des Vaiśeṣika gilt Kaṇāda. Man kann Kaṇāda in das vierte Jahrhundert vor Christus datieren. Über ihn gibt es die Legende, dass er sich fragte, was denn passierte, wenn man ein Reiskorn in der Mitte teilte, und dies immer und immer wieder machen würde. Kann man dieses Teilen unendlich oft machen, oder stößt man irgendwann einmal auf ein kleines Teilchen (anu/Atom)?
Über Kaṇāda wird erzählt, dass er sehr oft fastete und anstelle von Nahrung Dreck aß. Man kann vermuten, dass Kaṇāda zu einer śivaitischen Gemeinschaft zählte, vermutlich war er ein Paśupati.
Der Sinn des Studiums dieser sechs Kategorien oder padārthas besteht laut den ersten vier Sūtras der Vaiśeṣikas in folgendem:

"1.
Nunmehr daher wollen wir die Pflicht erklären.
2.
Pflicht ist das, woraus Glück und Seligkeit [d.h. himmlischer Lohn und Erlösung] erfolgt.
3.
Wegen seiner [Gottes, des Iśvara] Aussage [d. h. weil Gott den Veda ausgesagt, offenbart, ausgehaucht hat …] gilt die Autorität der heiligen Überlieferung.
4.
Aus der durch besondere Pflichterfüllung erzeugten Kenntnis der Wesenheit der Grundbegriffe Substanz, Eigenschaft, Tätigkeit, Gemeinsamkeit, Verschiedenheit, Inhärenz, Gleichartigkeit und Unterschied erfolgt Seligkeit.“

Das Wesen der Welt zu erkennen bedeutet auch hier die Erkenntnis dessen, was dahinter steht. Da jedoch das Vaiśeṣika-System von Anfang an in enger Verbindung zu den Śaiva-Traditionen steht, und somit von Beginn an theistisch ausgelegt ist, bedeutet das Verstehen des Hinter-der-Welt-Stehenden immer ein Gewahr werden des einen Gottes, des Iśvara.
Die Kategorien, um die es sich in diesem System handelt sind folgende:

1. Substanz (dravyam)
2. Eigenschaft (guṇa)
3. Bewegung (karman)
4. Gemeinsamkeit (sāmānyam)
5. Verschiedenheit (viśeṣa)
6. Inhärenz (samavāya)

Spätere Vaiśeṣikas (nämlich Śrīdhara, Udayana und Śivāditya) fügten diesen sechs Kategorien eine weitere Kategorie, nämlich abhāva (Nichtvorhandsein) hinzu. Die ersten drei Kategorien werden als artha (das, was wahrgenommen werden kann) bezeichnet, da sie reales objektives Bestehen haben. Die letzten drei Kategorien werden als budhyapekṣam (Produkt der intellektuellen Unterscheidung) bezeichnet und sind logische Kategorien.

1. Substanz (dravyam)

Insgesamt gibt es neun Substanzen:

1. pṛthvī (Erde)
2. āpa (Wasser)
3. tejas (Feuer)
4. vāyu (Luft)
5. ākaśa (Äther)
6. kāla (Zeit)
7. dik (Raum)
8. ātman (Selbst)
9. manas (Denkorgan)

Die Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft gelten als ewig da sie aus Atomen bestehen. Zu den Substanzen zählen weiterhin der Raum (dik) und die Zeit (kāla), welche als alldurchdringend und ewig gelten und die Basis für die vorhergehenden Substanzen darstellen. Hier wurde Kant schon fast 2000 jahre vorweggenommen. Desweiteren gibt es eine allwissende Seele, d.h. Gott, sowie eine große Zahl individueller Seelen (ātman). Zu den Substanzen zählen weiterhin das Denkorgan (manas), welches als atomklein und in ebenso großer Zahl wie die Seelen angenommen wird, da zu jeder Seele ein manas gehört, das die Verbindung zwischen der Seele und der Außenwelt herstellt.

2. Qualität (guṇa)

Zu jedem Elementen gehören Eigenschaften und Sinneseindrücke:

Element
Eigenschaft
Sinneseindrücke
Wasser (āpa) flüssig Form, Geschmack und Berührung
Erde (pṛthivi) fest Form, Geschmack, Geruch und Berührung
Luft (vāyu) beweglich Berührung
Feuer (tejas) heiß Form und Berührung
Äther (ākāśa) eigenschaftslos, alldurchdringend Ton

Die Substanzen währen ohne die Qualitäten nicht erfahrbar. Und so sind die guṇas die Vermittlungsinstanz, die uns (also dem manas) überhaupt erst Substanzen wahrnehmen lassen. Die 17 guṇas sind folgende:

1.
  rūpa (Farbe)
2.
  rasa (Geschmack)
3.
  gandha (Geruch)
4.
  sparśa (Berührung)
5.
  saṁkhyā (Zahl)
6.
  parimāṇa (Größe)
7.
  pṛthaktva (Individualität)
8.
  saṁyoga (Zusammenhang)
9.
  vibhāga (Trennung)
10.
  paratva (Priorität)
11.
  aparatva (Posteriorität)
12.
  buddhi (Wissen)
13.
  sukha (Vergnügen)
14.
  duḥkha (Schmerz)
15.
  icchā (Wunsch)
16.
  dveṣa (Widerwille)
17.
  prayatna (Bemühung)

Zu diesen 17 Qualitäten fügte Praśastapāda noch folgende sieben guṇas hinzu:

gurutva (Gewicht), dravatva (Flüssigkeit), sneha (Viskosität), dharma (Verdienst), adharma (Fehler), śabda (Ton) und saṁkāsra (Lehrkörper)

Die materielle, grobe Welt besteht aus vier groben Elementen, nämlich dem Wasser (āpa), der Erde (pṛthivi), der Luft (vāyu) und dem Feuer (tejas). Damit diese Elemente überhaupt da sein können, benötigen sie Ausdehnung bzw. Äther (ākāśa), innerhalb dem sie existieren können. Dieser Raum ist eine Art fünftes Element, jedoch mit der Eigenschaft, dass er das Ursprünglichste von allem ist. Alles, was ist, besteht durch und in diesem fünften Elemente. Diese fünf Elemente tragen verschiedene Eigenschaften, nämlich die Erde die Festigkeit, das Wasser die Flüssigkeit, das Feuer die Hitze und die Luft die Beweglichkeit. Daneben besitzen die Elemente eine zweite Reihe von Eigenschaften, welche die Gegenstände der Sinneswahrnehmungen bilden: Form (rupa), Geschmack (rasa), Geruch (gandha), Berührung (sparsha) und Ton (shabda). Erde hat „Form, Geschmack, Geruch und Berührung“. Wasser hat „Form, Geschmack und Berührung“. Feuer hat „Form und Berührung“. Wind hat nur „Berührung“. Der Gegenstand des fünften Sinnes, der „Ton“, hat zum Träger das fünfte Element, den Äther, der nur diese Eigenschaft besitzt. Die übrigen Eigenschaften sind im Äther nicht enthalten. Da der Ton sich überall hin verbreitet, nahm man an, dass der Äther alldurchdringend ist.
Damit aber die Vielheit der Welt aus diesen Elementen bestehen kann, und damit es auch so etwas wie Veränderung geben kann, wird Zeit benötigt. Ein Universum, das keine Zeit kennt ist starr, unbeweglich, fest.

3. Bewegung (karman)

Die Kategorie der Bewegung ist fünffach:

1. utkṣepaṇam Hinaufbewegen
2. avakṣepaṇam Hinunterbewegen
3. ākuñcanam Kontraktion
4. prasāraṇam Expansion
5. gamanam Gehen

Bewegung ist der Grund für das sich stetig verändernde Universum. Bewegung entsteht aufgrund eines Willens. Im späteren, orthodoxen Vaiśeṣika (Praśastapāda, Śrīdhara, Udayana und Śivāditya) war es der Wille Gottes, der als letzte Instanz der Allbeweger ist. Im frühen Vaiśeṣika des Kaṇāda wird die Idee eines Gottes (Iśvāra) noch nicht ausdrücklich genannt. Es gibt Stellen, die nach Meinung von Kommentatoren, von Gott als dem Urheber des Veda handeln. Die sittliche Weltordnung und der durch sie bedingte gesetzmäßige Verlauf des Weltprozesses scheinen sich für Kaṇāda jedoch einzig und allein durch die fortschreitende Kraft der guten und bösen Werke (adṛṣta) zu erklären. Da es zu den Sutren keinen Kommentar gibt, kann man nur vermuten, dass die Annahme eines Weltenherrschers dem religiösen Empfinden des Einzelnen überlassen wurde. In einer späteren Erläuterungsschrift des Praśastapāda (vermutlich 5. Jahrhundert n. Chr.) wird erstmals in diesem System der große Weltenherr (Maheshvara) genannt, der die periodische Schöpfung und Zerstörung der Welt in Gang setzt. Die Kommentatoren zu Praśastapāda Buch, Udayana und Śrīdhara vertraten den Theismus, worin ihnen auch alle späteren Kommentatoren folgten.

Alles was sich bewegt, wird durch einen Willen erst in Bewegung gebracht. Der Grund dass Bewegung stattfindet ist aber nicht der Wille allein, sondern es ist noch die Verbindung einer Bewegung mit dem sich Bewegenden notwendig.

4. Gemeinsamkeit (sāmānya)

Da es mehr als eine Substanz gibt, gibt es Relationen unter ihnen. Wenn eine Eigenschaft allgemein für viele Substanzen gefunden wird, wird sie als sāmānya benannt, also als das, was allen gemeinsam ist. Allen neun Substanzen wohnen drei Eigenschaft inne:

1. Vorhandensein (astitvam)
2. Erkennbarkeit (jñeyatvam)
3. Benennbarkeit (abhidheyatvam)

Jede Substanz ist demnach vorhanden und existent. Aufgrund dessen ist sie auch erkennbar und benannbar.

5. Verschiedenheit (viśeṣa)

Verschiedenheit ist das Gegenteil von Gemeinsamkeit. Beides ist notwendig, um zu erkennen. Die Gemeinsamkeit bildet die Grundlage überhaupt etwas zu erkennen, die Verschiedenheit bildet die Grundlage, dann nicht nur eines zu erkennen, sondern eben Verschiedenes. Es ist viśeṣa, das Unterschiede zuläßt, und somit Vielheit, bzw. eine unterscheidbare Vielheit von Ähnlichem.

6. Inhärenz (samavāya)

Kaṇāda definiert samavāya als die Relation zwischen der Ursache und dem Effekt. Praśastapāda definiert samavāya als das Verhältnis, das zwischen den Substanzen besteht, die untrennbar sind. Die Relation von samavāya ist nicht spürbar aber aus dem untrennbaren Anschluß der Substanzen nur ableitbar.

Atome

Das frühe Vaiśeṣika formulierte folgenden Syllogism, um zu prüfen dass alle Gegenstände d.h. die vier bhūtas, pṛthvī (Erde), āpa(Wasser), tejas (Feuer) und vāyu (Luft) auf kleinste Teilchen, also auf paramāṇus (Atome) reduzierbar sind: Nehmen Sie an, daß die Welt nicht von den unteilbaren Atomen gebildet wird und dass sie ununterbrochen ist. Nehmen Sie einen Stein. Man kann diesen Stein in unendlich viele Stücke teilen. Jetzt hat die Himalajagebirgsstrecke auch unendlich viele Stücke, also kann man eine andere Himalajagebirgsstrecke mit der endlosen Zahl Stücken errichten, die man hat. man fängt mit einem Stein an und endet auf einem Gebirgsgipfel im Himalajamit dem letzten der unendlichen Steinchen. Das ist offensichtlich lächerlich, denn in einem begrenzten Stück Strecke kann es keine unendlich vielen Einzelteile geben. Also muß die ursprüngliche Annahme, dass alles wie ein ununerbrochener und unendlicher Ablauf ist, falsch sein. Alles hat eine begrenzte Zahl von bestehenden paramāṇus (Atome). Die kleinsten Teile, die ein mensch sehen kann sind nach der Vaiśeṣika-Schule die trasareṇu (Staubteilchen, die in einem Lichtstrahl sichtbar sind, wie er z.B. durch eine kleine Fensterbohrung kommt). diese kleinsten sichtbaren Teilchen werden von den tryaṇukas (Dreier) gebildet. Jedes Einzelteil dieser tryaṇukas wird von einem Doppelteilchen, dem dvyaṇuka (Dyade) gibildet. Jedes Einzelteil eines dvyaṇukas ist ein Atom, ein paramāṇu. Paramāṇus (Atome) sind unteilbar und, es kann weder verursacht werden noch zerstört werden ewig. Jedes paramāṇu (Atom) besitzt seine eigene eindeutige Individualität (viśeṣa). Jedes paramāṇu besitzt neben der ihm typischen Individualität, welches die Eigenschaften der Elemente, das dieses Atom bildet, ist, auch gurutvākarśaṇa (Schwerkraft). Diese Schwerkraft führt unter den Atomen zu Stoß und Gegenstoß. Es ist die Bewegung, welche die Atome zusammenführt und die Dinge entstehen lässt. Und es ist wieder Bewegung, welche den Zusammenhalt der so vereinigten Atome sprengt und die Dinge vernichtet. Ähnlich ihren griechischen Kollegen Demokrit und Leukipp entwickelten die Vaiśeṣikas ein Kategoriensystem, mit dem sich die Welt in Einzelteile zerlegen läßt, beschreiben läßt und auch Deutungen ermöglicht für Phänomene wie Veränderung. Daneben ist das System des Vaiśeṣika aber nicht nur eine stupide Naturphilosophie, die einfach ordnet und kategorisiert und sammelt, sondern hier wird auch Metaphysik betrieben. Die Idee der Einheit ist bekannt. Gewisse Paradoxien, die aufgrund von Einheit und Vielfalt entstehen werden besprochen und - leider muß man das sagen - unglücklich gelöst. Im Vaiśeṣika nur eine Naturphilosophie zu sehen, wie sie die Griechen Leukipp und Demokrit und später auch Aristoteles betrieben haben wäre falsch. Schon alleine die Ähnlichkeit der Kategorien der Substanz, der Handlung, der Gemeinsamkeit, der Verschiedenheit und der Inhärenz zeigen ja eine Nähe zu Platon . Die Idee der atomaren Entitäten ist die Grundlage dessen, was später im Buddhismus als Abhidharma diskutiert wurde. Man ging der Frage nach, was denn diese Wirklichkeit ist, die da aus den atomhaften Trägerpartikeln (dharmaḥ) besteht. Welche räumliche oder zeitliche Ausdehnung haben diese Trägerpartikel? Durch was werden sie Zusammengefügt? Wie kann etwa eine Reihe von ausdehnungslosen und zeitlosen dharmaḥ überhaupt so etwas wie das Kontinuum von Weltwirklich ergeben? Denn eine Summe von lauter Nichtigkeiten ergibt ja auch wieder nichts!
Diese Frage nach den letzten Teilchen der Weltwirklichkeit, nach den Trägerpartikel von Sein wurde in einem anderen orthodoxen Philosophiesystem kurz erwähnt und dort wohl als passend angenommen: Das Yoga-Sūtra streift dieses Thema ganz kurz: "kṣaṇa-pratiyogī pariṇāmāparānta-nirgrāḥyaḥ kramaḥ" (Yoga-Sūtra IV; 33) - "Dem Augenblickswechsel (kṣaṇa) gegenüber beständig, der Ausreifung künftiges Ende herauszugreifen ist "Fortschreiten." Die Augenblickswechsel oder Wirklichkeitsmomente sind hier schon gedacht in der Form des Mittelwegbuddhismus, und nicht mehr in der Art der Vaiśeṣikas als Teilchen. Diese letzten Entitäten sind mit bloßem Auge nicht zu sehen, sie sind unendlich klein, raumlos und ausdehnungslos, sie haben eine unendlich kleine Lebensspanne und sind eben verantwortlich für die Welt, die sich verändert. Sowohl bei den Wirklichkeitsmomenten, als auch bei den Wirklichkeitsteilchen der Vaiśeṣikas stellt sich dabei aber immer eines als problematisch heraus:
Ein ewiges Atom/Wirklichkeitsmoment lässt sich leichter mit einer Welt in Einklang bringen, die auch als konstant erscheint. Jedoch verändert sich die Welt. Was passiert mit den Atomen, die Beispielsweise ein Stück Holz bilden, wenn das Holz verfault? Aber noch problematischer war die Konsequenz, wenn man, wie hier schon beschrieben, die Wirklichkeitsteilchen/Wirklichkeitsmomente als unendlich klein in jeder Eigenschaft annimmt. Wie kann eine Summe von Nichtigkeiten überhaupt Etwas ergeben? Diese Debatte fand erst mit dem Begründer des Mittelwegbuddismus Nagārjuna ein Ende, also etwa im 2. Jh. n. Chr.

Seelenlehre

Das Vaiśeṣikas kennt auch eine Seelenlehre. Der Mensch besteht aus einem Körper und einer Seele. Die Seele ist der Träger der psychischen und geistigen Eigenschaften. Denken, Fühlen und Wollen entspringt dem Bereich der Seele. Nach dem Tod des Körpers geht die Seele in einen anderen Körper über. Man postulierte also eine unsterbliche Seele, stritt aber darüber, ob die Seele etwas ist, was aus einem oder mehreren Elementen besteht, oder ob die Seele eine eigene Größe ist. Quasi ein sechstes Element. Doch hier stritt man sich dann wieder, ob die Seele materiell oder transzendent - wie im Vedānta - zu denken sei. Der Körper, da war man sich einig, besteht aus groben Elementen, nämlich der Erde usw.. Das Element Erde ist dasjenige, welches die meisten (nämlich vier) Eigenschaften umfasst. Das Vaiśeṣika zeigte von frühester Zeit an eine Abneigung gegen die Annahme einer Mischung der Elemente. Die Pflanzen zählte man nicht zu den Lebewesen. Als Wesen, welche die Welt bevölkern, wurden Götter, Menschen und Tiere genannt (mit den Göttern beschäftigte sich man jedoch nur am Rande).
Die Seelenlehre des Vaiśeṣikas veränderte sich im Laufe der Zeit. Die Annahme einer Weltseele wie im Vedānta war dem Vaiśeṣika anfangs fremd, hingegen wurden, so wie im Sāṁkhya, zahlreiche Einzelseelen angenommen. Während in der frühen Phase die Seelen als grundsätzlich gleichwertige Faktoren beim Aufbau der Erscheinungswelt betrachtet wurden, hatte man sie später als etwas wesentlich Verschiedenes erkannt. An Stelle der im Weltenkreislauf wandernden, körpergroßen Seelen war die Vorstellung von ihrer unendlichen Größe und ewigen Unbewegtheit getreten. Nachdem die Eigenschaften ihre feste Verbindung mit der Seele verloren hatten, ähnelte die Seelenvorstellung des Vaiśeṣikas immer mehr der von Ātman in den Upaniṣaden, ohne jedoch deren Vorstellungen von Erlösung zu übernehmen.

Vaiśeṣika-Sūtra in deutsch zum downloaden