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Hier gibt es mehr zur "Historiker-Brille":

Sozialgeschichte nach Hans-Ulrich Wehler und Jürgen Kocka

Man spricht hier von der Historischen Sozialgeschichte. Hierbei bedient man sich anderer Disziplinen insbesondere der Ökonomie, der Politikwissenschaft und der Sozialwissenschaften um Geschichte zu erklären und zu verstehen. Damit einher geht der Versuch, eine deutsche Gesellschaftsgeschichte zu schreiben, die sich eben als eine Totalgeschichte versteht. Die Idee einer Totalgeschichte korreliert mit dem Verständnis der französischen Geschichtswissenschaft der histoire totale. Die Basis hierfür sind vor allem Max Weber, Karl Marx und zum Teil Lorenz von Stein.

Die Idee einer Historischen Sozialwissenschaft ist bei Max Weber grundgelegt. Gesellschaft kann mit drei Dimensionen beschrieben werden. Diese drei Dimensionen sind der (1) Bereich des Politischen im Sinne von strukturierter Machtausübung im öffentlichen, politischen Raum, die irgendwie legitimiert ist (= Herrschaft), der (2) Bereich des Wirtschaftlichen, im weiten Sinne eines Stoffwechsels des Menschen mit der Natur, bis hin zu den modernen Wirtschaftsphänomenen Verkehr, Transport, Dienstleistungs- und Warenaustauschsystemen des modernen Kapitalismus und der (3) Bereich der Kultur, insbesondere der Kulturanthropologie, die vor allem die ideellen und institutionellen Werte, Normen, Ansichten und Ideen umfasst. Diese drei Dimensionen sind ein besseres Fundament für Historiker, als die Idee von Gesellschaft, die in der Hegelschen (und Marxschen) Diktion der Gesellschaft eines Zwischen von Individuum und Staat begründet liegt (Wehler, 2010: 101-134).

Marx und Weber reichten aber nicht. Man brauchte, um den sozialhistorischen Fragestellungen gerecht zu werden, Wissen aus den Nachbargebieten, wie etwa Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaften. Dies war schon alleine deshalb geboten, weil die herkömmlichen Denkmuster, die den Staat ins Zentrum stellten, an dem sich dann letzten Endes alles auskristallisiert, nicht mehr tragen, wenn man die Gegebenheiten vom beginnenden Industriekapitalismus bis zum modernen Kapitalismus betrachtet. Man bediente sich bei Weber und Marx und stellte nun die Wirtschaft als das gesellschaftliche Schwungrad ins Zentrum, auf das dann Staat und soziale Gefüge (z.B. Klassen) reagierten. Doch man vergaß die kulturelle Dimension, die aber schon bei Weber gegeben ist. Man vergaß die Sinnkonstruktionen, die Traditionen, die Weltbilder einer Gesellschaft. An die Stelle der Dimension des Wirtschaftlichen kam nun der gesellschaftliche Teil, der in großen Theorien und Analysen versuchte Geschichte zu deuten (Wehler, 2010: 433-441).

Somit ist Geschichtsschreibung immer ein interdisziplinäres Vorhaben (Wehler, 2010: 95-99).


Literatur:

  • Wehler, Hans-Ulrich (2010). Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vorwort. In: Hitzer, Bettina / Welskopp, Thomas (HG.), Die Bielefelder Sozialgeschichte, S. 95-99, Bielefeld: transcript.

  • Wehler, Hans-Ulrich (2010). Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Einleitung. In: Hitzer, Bettina / Welskopp, Thomas (HG.), Die Bielefelder Sozialgeschichte, S. 101-134, Bielefeld: transcript.

  • Wehler, Hans-Ulrich (2010). Historische Sozialwissenschaft. Eine Zwischenbilanz nach dreißig Jahren. In: Hitzer, Bettina / Welskopp, Thomas (HG.), Die Bielefelder Sozialgeschichte, S. 433-441, Bielefeld: transcript.


 

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